Michaeli

Das Fest des Michaeli fällt auf den 29. September. Die Tage werden kürzer, die Lebenskräfte der Natur auf der Nordhalbkugel kehren nach ihrer üppigen Blütezeit langsam auf die Erde zurück und der Herbst hält Einzug. Die Erntezeit ist gekommen und wir feiern das Michaelifest - das erste Fest in einer Reihe von Heiligenfesten, die in Vorbereitung auf Weihnachten stattfinden. In den Waldorfschulen wird diese Zeit durch die schönen Geschichten vom Erzengel Michael und vom heiligen Georg und dem Drachen geprägt. Natürlich werden auch die schönsten Michaelslieder gesungen, Drachen müssen besiegt werden und es ist Zeit für Aktivitäten zum Thema Stärke, Mut und Gleichgewicht. Aber was ist eigentlich das Michaelifest?

'Michael, Michael mit deinem leuchtenden Schwert, gib uns Kraft, gib uns Macht, tu Gutes auf Erd'!'

Michael

St. Michael, St. Martin und St. Nikolaus sind die drei Heiligenfeste der Herbstsaison. Alle drei symbolisieren innere Qualitäten, die im Menschen wachsen können. St. Michael steht für Ausgeglichenheit und den Mut, ein reines inneres Selbst zu entwickeln, indem man die richtigen Entscheidungen trifft. Der heilige Martin steht für die Opferbereitschaft und der heilige Nikolaus für die Fähigkeit zu geben und die Selbstreflexion.

Im Jahr 813 n. Chr. beschloss die katholische Kirche, den 29. September als Festtag des Erzengels Michael zu begehen. Die Menschen dankten dem Engel an diesem Tag für die gute Ernte, die es den Menschen ermöglichte, die dunkle Winterzeit zu überstehen. Aus der Sicht der (katholischen) Kirche ist das Fest des Erzengels Michael also in erster Linie ein Fest der Dankbarkeit.

Der Drache

Darüber hinaus ist Michael aber auch das Fest der Stärke und des Mutes. Michael ist der Engel, der zusammen mit den Engeln im himmlischen Bereich den große Kampf gegen den Drachen/die Schlange geschlagen hat. Das aus dem Himmel vertriebene wilde Tier symbolisiert den Teufel (Luzifer) und das Böse in der Welt, das bekämpft werden muss. Bemerkenswert ist, dass der Drache nicht getötet, sondern gezähmt wird.

Michael inspiriert uns, unseren Mut zu sammeln, um unsere eigenen Drachen und die Drachen der Welt zu bekämpfen, die bekämpft werden müssen. Indem wir in unserem Bewusstsein erwachen, können wir das Böse in der Welt, die Feigheit und den Egoismus überwinden, so dass wir uns auf das neue Licht an Weihnachten (den Sonnenwende-/Weihnachtsimpuls) vorbereiten können. Traust du dich deinem persönlichen Drachen in die Augen zu sehen?

Auf Gemälden wird Michael oft mit einem Schwert und einer Waage abgebildet. Mit dem Schwert besiegt Michael den Drachen und mit der Waage wägt er Gut und Böse gegeneinander ab. Die Waage zeigt uns auch den Weg des Gleichgewichts. Ein Gleichgewicht in Bezug auf all die Herausforderungen, die das Leben für uns bereithält. Aber gerade in dieser Zeit der Entwicklung der Menschheit könnte Michaels Gleichgewicht besonders gefragt sein. In einer Welt, in der die Menschen einerseits von ihren Emotionen und ihrem Egoismus mitgerissen werden und fast in ihrer spirituellen Traumwelt schweben (Luzifer) und andererseits in materialistischen Gewissheiten verhärten und verkrampfen (Ahriman), braucht es eine goldene Mitte.

Der Heilige Georg

Neben den Geschichten, die sich um den Erzengel Michael ranken, gibt es auch die Heldengeschichten des Ritters Georg. Er kämpft auf der Erde den gleichen Kampf wie Michael im Himmel. Ein grausamer Drache macht es den Menschen unmöglich, in Frieden zu leben, sogar eine Prinzessin muss geopfert werden. Ritter Georg zieht mutig in den Kampf. Er bezwingt den Drachen und befreit die Prinzessin.

Die Prinzessin symbolisiert die reine Seele, die im Menschen bewahrt werden muss. Michael und St. Georg lehren uns, mutig zu sein. Darüber hinaus ist unsere Willenskraft gefragt - Willenskraft, die wir in dieser Zeit des Jahres brauchen, um uns gut auf die dunklen Tage des Jahres vorzubereiten. Tage, die von Einsamkeit, innerer Starre und Winterdüsterkeit begleitet sein können. Um diese Schwere auszugleichen, ist es notwendig, unser inneres Feuer zu schüren. Die wachsende Zahl der Kerzen, die wir im Herbst auf dem Weg zu Weihnachten anzünden, symbolisiert unser wachsendes inneres Licht.

Erntedankfest

Für kleine Kinder ist das Thema Drachen manchmal ein bisschen zu aufregend. Aus diesem Grund steht in der Michaelizeit in den Kindergärten und Vorschulen das Erntedankfest im Mittelpunkt. Es werden verschiedene Feldfrüchte geerntet und die Erde bereitet sich langsam auf den Winter vor.

Im Waldkindergarten spielen die Kinder während der Vorbereitungszeit ein kleines Michaelikreisspiel. Sowohl Jungs als auch Mädchen erleben dabei, wie es ist, ein Ritter oder eine Prinzessin zu sein. Am 29. September „schmieden“ die Kinder kleine Brotschwerter aus Teig und ein Drache auf der einen Seite der Waage wird durch das Gold (Goldsteine) der Kinder auf der anderen Seite überwunden.

Anlässlich des Michaelsfestes könnte man Drachenbrot backen, das hervorragend zu einer leckeren Erntesuppe schmeckt, die die Kinder selbst schneiden und kochen.

Michaeli auf dem Jahrestisch

September und Oktober sind die Erntemonate. In diesen Monaten mache ich zwei verschiedene Szenen für den Jahreszeitentisch, die langsam ineinander übergehen. Im September passt ein dunkelgelber Hintergrund, und man kann den Bauern bei der Arbeit sehen. Man könnte eine Mühle (einfach aus einem Baumstamm mit zwei darauf genagelten Eispickeln zu machen), Mehlsäcke und Getreide hinstellen. Eine hübsche Karte oder ein aufgeschlagenes Buch würden auch gut passen, ebenso wie ein paar leuchtende Sonnenblumen.

Ende September hänge ich eine Karte von Michael mit dem Drachen auf. Ich lasse den Bauern verschwinden und an seine Stelle kommt ein schönes Schwert, eine Waage oder ein von den Kindern selbst geschnitzter/gekneteter Drache. Ich ersetze auch das gelbe Tuch durch einen roten Hintergrund - die Farbe der Stärke und des Mutes!

Im Oktober verschwinden dann langsam alle Attribute von Michael und die Ernte kommt ins Haus. Da meine Kindern in Oktober gerne ihren eigenen Apfelsaft herstellen, dominieren Äpfel und selbstgemachter Saft oft auf unserem Jahreszeitentisch. Ich liebe auch unseren Jahrestischjungen mit dem Drachen in der Hand und die Herbstbasteleien der Kinder, also sollten auch diese nicht fehlen.

Traditionen für zu Hause

• Erntesuppe kochen, bei der die Kinder das gesamte Gemüse selbst schneiden dürfen.
• Brotschwerter oder Brotdrachen backen mit: 500 g Mehl, 10 g Salz, 25 g Hefe (Trockenhefe in etwas lauwarmer Milch mit einem Löffel Zucker einweichen), etwa 4 dl Wasser und einem großzügigen Spritzer (Oliven-)Öl.
• Führe einen Ritterkampf durch.
• Dekoriere den Tisch mit Früchten, Ähren und bunten Blättern.
• Bringe die hübschesten Sonnenblumen mit.
• Organisiere einen Spieltag, bei dem die Kinder ihre Entschlusskraft, ihren Mut und ihr Gleichgewicht unter Beweis stellen können. Denk dabei an einen Balancierbalken, einen Parcours mit verbundenen Augen, das Klettern auf einen Baum, einen Sprung über etwas usw.
• Bastel aus einem Tannenzapfen, einem Stück Draht und rotem, orangefarbenem und gelbem Krepppapier hübsche, feurige Schaukeln, die sich drehen.
• Beklebe Gläser mit roter, oranger und gelber Seidenwatte und getrockneten Blättern. So entstehen die hübschesten kleinen Lichter für das Haus und die Umgebung.
• Lasst Drachen steigen! Um als Kind seinen Drachen zu steuern, braucht man viel Mut und Kraft.
• Bastel einen schönen Drachen aus einer alten Socke. Die Bastelbeschreibung findest du hier.
• Bastle einen gefährlichen Drachen aus Kastanienschalen. Eine schöne Bastelbeschreibung findest du hier.
• Ganze Maiskolben kochen - die Kolben mit Butter, Salz und Pfeffer köstlich mampfen.
• Esse und verarbeite alle Brombeeren, die du finden kannst. Mache Marmelade und esse die Brombeeren mit Scones oder backe einen köstlichen Brombeerkuchen. Nach einer alten irischen Legende dürfen Brombeeren nach dem Michaelifest nicht mehr gegessen werden. Als der Teufel (Luzifer) aus dem Himmel verjagt wurde, landete er in einem Brombeerstrauch. Er verfluchte den Strauch, so dass Brombeeren ab dem 29. September zu bitter zum Verzehr sind.

Vielleicht sind alle Drachen unseres Lebens Prinzessinnen,
die nur darauf warten uns einmal schön und mutig zu sehen.
Vielleicht ist alles Schreckliche im Grunde das Hilflose,
das von uns Hilfe will.

Rainer Maria Rilke

Ich wünsche euch viel Mut und Kraft für ein fröhliches Michaelifest!
Eveline