Sankt Martin
Am 11. November feiern wir Sankt Martin, das Fest der Güte, des Opfers und der Demut. Sankt Martin ist das erste Fest des Lichts in der dunklen Jahreszeit. Wir zünden die ersten Kerzen an. 🕯
Während ursprünglich nur die Armen um diese Zeit des Jahres von Tür zu Tür gingen und um Seelenbrot baten, ist Sankt Martin seit dem letzten Jahrhundert zu einem Kinderfest geworden. An Waldorfschulen und in einigen Teilen von Deutschland laufen die Kinder singend durch die Straßen und hoffen auf Obst oder Süßigkeiten.
In unserer Familie ist es ein Fest der schönen selbstgebastelten Laternen, mit denen die Kinder singend durch die Dunkelheit laufen. Am Abend des 11. November essen wir im Dunkeln im Kerzenschein unserer Laternen. Wir backen St. Martinsbrot, das wir miteinander teilen, und ich erzähle vor dem Schlafengehen eine Geschichte über die Opferbereitschaft und die Fürsorge für andere.
Aber wer war St. Martin?
Die Legende von Offizier Martin
Sttt, sei still! Hörst du dort in der Ferne das Getrampel von Pferdehufen? Es ist ein Tag im November. Bleierne, graue Wolken bedecken den Himmel und ein eisiger Wind weht die letzten dürren Blätter von den Bäumen und lässt sie in endlosen Kreisen über die kalte Erde wirbeln. Durch einen dichten Wald reitet eine Gruppe junger Männer auf stattlichen Pferden über verschlungene Pfade. Es sind junge Soldaten der römischen Armee. Unter ihnen ist Martin.
So beginnt die Geschichte, die die Kinder in den Waldorfschulen jedes Jahr über das Leben von Martin, einem Offizier im Heer von Kaiser Julian Apostata, hören. Martin lebte um 400 nach Christus. Als er an einem kalten Herbstabend vor dem Tor der französischen Stadt Amiens stand, sah er einen Bettler. Seine Begleiter fuhren an dem armen Mann vorbei, aber Martin hatte Mitleid, schnitt seinen Offiziersmantel in zwei Hälften und gab eine Hälfte dem Bettler. In der folgenden Nacht erschien der Bettler in Martins Träumen. Der Legende nach war dieser Bettler eine Erscheinung Christi. Martin verließ die Armee, bekehrte sich, gründete ein Kloster, wo er sich um die Armen kümmerte, und wurde später Bischof. Sein Todestag wird am 11. November begangen.
Kopf, Herz und Hand
An vielen Waldorfschulen ist St. Martin der zweite Heilige in der Reihe der drei Heiligenfeste St. Georg, St. Martin und St. Nikolaus, die im Herbst vor der Geburt des Weihnachtskindes/Lichts stattfinden. Viele interkulturelle Initiativen an der Waldorfschule entscheiden sich manchmal für andere Lichterfeste in dieser Zeit, wie zum Beispiel Divali, das Fest der Geister oder Día de Muertos. Diese Feste der Heiligen haben zwar eine christliche Grundlage - aber mit sehr universell menschlichen Werten - und bilden eine schöne Dreifaltigkeit, die zum anthroposophischen Denken passt.
Wo Michael uns ermutigt, mutig unsere Willenskraft zu zeigen und gute Taten zu vollbringen, spricht der heilige Martin zu unseren Herzen. Mit seiner guten Tat symbolisiert der heilige Martin Mitgefühl und Nächstenliebe.
Der heilige Nikolaus wiederum appelliert an eine ganz andere Qualität in uns Menschen. Mit seiner Weisheit und seinem Wissen über die Menschheit ruft er uns dazu auf, unser eigenes Bewusstsein zu erweitern. Trau dich, in den Spiegel zu schauen, damit du ein besserer Mensch werden kannst.
So stehen die drei Heiligenfeste zusammen für drei Qualitäten unserer menschlichen Seele: unser Denken, Fühlen und Wollen.
Beginn des Winters
Anfang November war früher die Zeit, in der die Ernte eingebracht, das Vieh in die Ställe gebracht und die großen Martinsfeuer entzündet wurden, um das Ende der Erntezeit zu feiern. Die Winterzeit begann. Der November wird auch der Monat des Schlachtens genannt, weil überschüssiges Vieh geschlachtet wurde. Mit dem Sterben der Natur, der Schlachtzeit und der Verfinsterung der Erde fühlte sich der Tod nah an. Es ist eine besondere Zeit des Jahres, in der sich die Welt der Nacht und die Welt des Tages nahe beieinander befinden. Diese dunkle Herbstzeit ist auch nach dem heidnischen Samhain bezeichnet. Die Menschen brachten Lichter in ausgehöhlten Erntegaben auf die Kirchhöfe, um den Vorfahren zu gedenken und ihnen für ihre Hilfe bei der Ernte zu danken.
In Waldorfschulen in den Niederlanden ist es Tradition, Rüben auszuhöhlen. Wer schon einmal in den ersten Novembertagen durch eine Schule gegangen ist, kennt den besonderen Geruch, der in den Klassenzimmern hängt. Aber Rüben sind nicht so einfach zu bearbeiten, man muss schon einiges an Arbeit investieren, um die Rübe auszuhöhlen. Immer häufiger sieht man auch Papierlaternen (wie in Deutschland üblich) oder die einfacher zu bearbeitenden Kürbisse, die uns an die warme Sonne erinnern.
Rhythmus der Erde
Die Verwendung von Früchten aus der Erde beim Aushöhlen hat einen schönen Hintergrundgedanken. Im Jahresrhythmus, in dem in der Zeit vom Frühling bis zum Sommer die Erde auf unserem Teil des Planeten sozusagen ausatmet, ist in der Zeit vom Herbst bis zum Winter eine Einatmungsbewegung zu spüren. Dieses Ausatmen zum Sommer hin beschreibt eine Phase des Blühens, des Wachsens, des Entspannens und des buchstäblichen Hinausgehens. Die Natur nimmt Raum ein, dehnt sich aus, wächst in die Höhe und streckt sich der Sonne entgegen. Das Einatmen auf dem Weg zum Winter ist eher ein Zusammenziehen, ein Konzentrieren, eine Hinwendung zu uns selbst und unserem warmen Zuhause. Auch in der Natur ziehen sich die Lebenskräfte in die Erde zurück, die Sonnenkraft wird in den Samen und Zwiebeln unter der Erde gespeichert als Versprechen für die Zeit nach dem Winter und einen neuen Zyklus wieder hinaus.
Deshalb ist die Rübe als letzte Frucht unter der Erde ein schönes Symbol für die gespeicherte Sonnen- und Wärmekraft in der Erde, die wir, verbunden mit unserem eigenen wachsenden inneren Licht, gerne mit Sankt Martin ausstrahlen lassen... Mit dem Licht in unseren Laternen würdigen wir den Sommer und tragen das Licht mit uns in die Winterzeit, bis die Tage wieder länger und heller werden.
Sankt Martin auf dem Jahrestisch
Im November passen braune oder dunkelrote Tücher auf den Jahrestisch. Es ist eine sehr dankbare Zeit, denn die meisten Schätze für den Jahrestisch lassen sich einfach in der Natur finden. Ein schöner Stein, Baumrinde, Tannenzapfen, Kastanien und hübsche Blätter machen sich schön auf dem Jahrestisch. Und wenn dann auch noch eine Zwergenfamilie einziehen darf, ist die Freude groß. Zu Hause basteln wir Laternchen für den Jahreszeitentisch und hängen hübsche Herbstbasteleien ans Fenster.
Die schönste Laterne
Diese fünfeckige Dodekaederlaterne ist eine wunderschöne Papierlaterne. Wie man sie bastelt? Schau dir dieses Video an oder lies die Beschreibung unten.
Zubehör:
Aquarellpapier
Wasserfarbe rot und gelb
Pinsel
Kleber
Scharfes Messer
Lineal
Fünfeck
Die ersten Schritte:
1. Konstruiere ein Fünfeck/ Pentagon oder finde ein Fünfeck im Internet und drucke es aus.
2. Male auf Aquarellpapier ein schönes Bild mit (Stockmar) Aquarellfarbe.
3. Öle das getrocknete Bild mit Babyöl.
4. Schneide mit einem scharfen Messer 11 Fünfecke aus deinem Bild aus.
5. Markiere genau die Hälfte auf jeder Seite und falte alle Ecken scharf nach innen, wie auf dem Bild gezeigt.
6. Klebe nun alle Fünfecke wie auf dem Foto gezeigt zusammen. Es spielt keine Rolle, ob die Ecken nach außen oder nach innen geklebt werden.
7. Lasse die obere Ecke frei. Du kannst nun ein Teelicht oder einen kleinen Kerzenhalter für Christbaumkerzen hineinstellen, wenn du die Laterne tragen möchtest.
Ich wünsche euch ein frohes Fest der Lichter!
Eveline