Anthroposophie und Waldorfpädagogik

Drei- und Viergliederung des Menschen

In meinem ersten Blog über Anthroposophie für Einsteiger hast Du eine Einführung in die Anthroposophie als eine soziale Bewegung gelesen, in der Du Antworten auf die Fragen des Lebens finden kannst. Die Anthroposophie kann Dich zu einem bewussteren Blick auf den Menschen, auf den Sinn des Lebens, auf die Entwicklung des Individuums in Verbindung mit der Kultur und der natürlichen Umgebung, in der wir leben, inspirieren.

Wenn Du Dich von der Anthroposophie inspirieren lassen willst, wenn Du z.B. einen anthroposophischen Arzt konsultieren willst oder wenn Du möchtest, dass Deine Kinder eine Waldorfschule besuchen, ist es sinnvoll, sich mit dem Drei- und Viergliedrigen Menschenbild zu beschäftigen. Was das genau beinhaltet, werde ich Dir in diesem Blog erklären.

Hör Dir diesen Text auch gern auf  YouTube an.

Es ist gut zu wissen, dass die Anthroposophie nicht Teil des Waldorflehrplans ist, aber dass diese Sichtweise helfen kann, mehr Einsicht in die natürliche Entwicklung der Kinder und die Entwicklungsfragen auf dem menschlichen Weg zu gewinnen.

Dreigliederung des Menschen

Der Mensch besteht aus einem physischen Körper, einer Seele und dem menschlichen Geist. Den physischen Körper können wir anfassen, die Seele ist besser bekannt als unsere Psyche (das, womit Du zum Psychologen gehen kannst) und der Geist ist Deine Individualität, das Extrastück, das nach dem Tod weiterlebt und wiedergeboren wird.

Ich möchte Dir das ein wenig genauer erklären.

Der physische Körper entsteht nach der Empfängnis und verschwindet nach dem Tod. Es ist unser Mantel, unsere sichtbare Manifestation in diesem irdischen Leben.

Der Geist ist der Teil des Menschen, der unsichtbar im physischen Körper lebt und der nach dem Tod weiter existiert. Der Geist macht uns als Menschen einzigartig, ist immer gesund und entwickelt sich über mehrere Leben hinweg.

Die Seele ist die Verbindung zwischen Körper und Geist. Durch die Seele ist der Geist in der Lage, sich in diesem Leben auszudrücken. 
Die Seele drückt unser menschliches Verhalten aus. Dieses wird durch 3 Dinge bestimmt:

1. Durch die Impulse der Gene, die wir bei der Geburt erhalten haben,
2. Durch die Impulse aus dem sich ständig entwickelnden Geist und
3. Durch ein Zusammenspiel zwischen unserem Denken (kognitive Fähigkeiten), Fühlen (sozial-emotionale Fähigkeiten) und Wollen (unser aktives Handeln).

Der Mensch kann sich am besten entwickeln, wenn diese drei Qualitäten: Denken, Fühlen und Wollen, im Gleichgewicht sind.

Denken, Fühlen, Wollen

Das Denken findet in unserem Kopf statt. Wenn der Mensch im Gleichgewicht ist, ist das Denken frei. Befinden wir uns in einem Ungleichgewicht, können wir keinen kühlen Kopf bewahren oder sind einfach zu gestresst, was sich ungesund auf unseren Körper auswirkt.

Das Wollen drückt sich in unseren Gliedmaßen aus. Wenn eine Person im Gleichgewicht ist, ist dieses in Form aktiven Handelns sichtbar, weil jemand etwas erledigt, etwas in Bewegung setzt. Wenn ein Mensch unausgeglichen ist, bleibt er im Kopf stecken und bekommt buchstäblich nichts aus den Händen (so sagt man auf Holländisch).

Das Fühlen kommt aus der Mitte unseres Körpers. Kinder haben Bauchschmerzen, wenn sie unglücklich sind, und wir alle kennen das Gefühl von Schmetterlingen im Bauch oder einem gebrochenen Herzen. Wenn ein Mensch im Gleichgewicht ist, gibt es ein rhythmisches Ein- und Ausatmen von ruhiger Innenschau und Offenheit für die Außenwelt, von Spannung und Entspannung, von Sympathie und Antipathie. Wenn im Bereich der Gefühle ein Ungleichgewicht besteht, ist ein gesundes Zusammenspiel zwischen Denken und aktivem Handeln nicht mehr möglich. Entweder bleibt man in seinem Kopf stecken und bekommt nichts mehr auf die Reihe, oder man will so viel, dass man alle möglichen Dinge tut, über die man im Nachhinein lieber etwas besser nachgedacht hätte.

Eine gute Balance zwischen Denken, Fühlen und Wollen ist gemäß der Anthroposophie die Grundlage für eine gesunde Entwicklung. Dies spiegelt sich in der Waldorfpädagogik wider, wo unter idealen Bedingungen dem kognitiven Lernen, der kreativen Arbeit und der aktiven Auseinandersetzung gleichermaßen Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Dreigliederung des Menschen aus dem Körper, der Seele und dem Geist besteht. In der Seele finden wir wieder eine Dreigriederung in Form der sogenannten Seelenkräfte; das Denken, das Fühlen und das Wollen.

Die Viergliederung des Menschen

Neben dem Dreigliederung gibt es auch die Viergliederung des Menschen. Der Körper eines Menschen besteht nicht nur aus dem, was man sieht und was greifbar ist. Wenn Du genau hinsiehst, kannst Du 4 untrennbare "Schichten" oder Teile des Seins im Menschen erkennen.

Die Natur kann uns helfen, diese Teile des Seins besser zu verstehen.

Das Reich der Mineralien
In uns Menschen verbirgt sich ein Teil der Welt der Steine. In der Anthroposophie wird alles, was im Menschen greifbar ist, alles, was in sich selbst unbeweglich ist, als physischer Körper bezeichnet.

Das Pflanzenreich
Das was sich nur ertasten lässt, ist leblos; Pflanzen hingegen leben, wachsen und gedeihen. Pflanzen und Bäume haben eine rhythmische Struktur, genau wie die Atmung und der Herzschlag im menschlichen Körper. Dieser Rhythmus und diese Wachstumskraft in einem Menschen machen den Unterschied zwischen einem lebenden und einem toten Menschen aus. Dieser lebendige Körper wird Lebenskräftekörper oder Ätherkörper genannt.

Das Tierreich
Das Pflanzenreich ist durch Wurzeln mit der Erde verbunden. Tiere hingegen können sich frei bewegen und werden vom Instinkt angetrieben. Unbewusst und im Einklang mit der Natur suchen sie nach Nahrung, sie kämpfen und fliehen und sie pflanzen sich fort. Dieser Teil im Menschen wird als Astralkörper bezeichnet. 
Der Lebenskörper ist lebendig, er ist wie ein Mensch im Tiefschlaf. Der Astralkörper gibt dem Organismus Gefühle, Stimmungen, Gedanken, ein Gedächtnis und die Möglichkeit des aktiven Handelns.

Das Reich der Menschen
Das, was den Menschen vom Tier unterscheidet, ist das menschliche Bewusstsein und die Moral. Menschen sind in der Lage, Ursache und Wirkung zu sehen und sie können über sich selbst, ihre Gefühle und ihr Handeln nachdenken. Dieser spezifisch menschliche Teil einer Person wird "das Ich" genannt. Es ist der Kapitän des Schiffes. Derjenige, der sich bewusst dafür entscheidet, etwas zu tun oder nicht zu tun. Je bewusster Du im Leben stehst, desto mehr ist das Ich am Werk.

Das ist in der Anthroposophie die Viergliederung: Der physische Körper, der Lebenskörper, der Astralkörper und das Ich.

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